Leitvorträge - 27.09.2022
Erdsystemforschung in einer datenreichen Zeit
Herr Prof. Miguel Mahecha
UFZ
Universität Leipzig
Quantentechnologien in der Raumfahrt
Frau Dr. Lisa Wörner
DLR-Institut für Quantentechnologie
Ulm
Die Quantenrevolution ist in vollem Gange. Mit den technologischen und wissenschaftlichen Errungenschaften der vergangenen Jahre werden Anwendungen von quantenmechanischen Sensoren und Technologien immer greifbarer. Diese Entwicklung wird zusätzlich durch die gestiegenen nationalen und internationalen Förderungen und den technologischen Fortschritt außerhalb Deutschlands vorangetrieben.
In meinem Vortrag möchte ich über die Verwendung von Quantentechnologien in der Raumfahrt und deren Gewinn für die Gesellschaft auf der Erde sprechen. Dabei werde ich Themen wie die Erdbeobachtung, globale Kommunikation, Navigation und fundamentale Wissenschaft ansprechen, den aktuellen Stand der Technik darstellen und kommende Technologien zusammenfassen. Im Rahmen des Vortrages werde ich versuchen die zugrundeliegenden quantenmechanischen Prinzipien und die daraus resultierenden Vorteile gegenüber klassischen Technologien zusammen zu stellen. Der Fokus des Vortrages wird auf Techniken mit kalten Atomen liegen, deren Verwendung insbesondere in der Erdbeobachtung immer wichtiger wird. Aber auch Themenkomplexe zur Verschränkung, Frequenzreferenz und Magnetfelddetektion werden Teil des Vortrages sein. Letzterer wird aktuell durch die Anforderungen für die Planetenforschung immer prominenter, was derzeit auch durch die Quantensensorik auf der JUICE-Mission unterstrichen wird.
Abschließend möchte ich den Bogen zurück zu Anwendungen auf dem Boden schlagen, die erst durch die Anforderungen der Raumfahrt ermöglicht wurden.
Session 1 - Neue Technologien und Raumfahrt
Granulare Materialien und Flüssigkristalle
Frau Dr. Kirsten Harth / Herr Dr. Dmitry Puzyrev
Universität Magdeburg
Eines der Themen behandelt die Untersuchung flüssigkristalliner Filme unter Schwerelosigkeit. Flüssigkristalle verbinden die Fließeigenschaften von Flüssigkeiten mit charakteristischen Eigenschaften von Kristallen wie zum Beispiel einer räumlichen Ordnung. Sie können dadurch dünne freitragende, wenige Nanometer dicke aber gleichzeitig stabile flüssige Filme mit mehreren Quadratzentimetern Fläche bilden. Die Eigenschaften dieser Filme weichen erheblich von denen „normaler“ Flüssigkeiten ab. Diese Geometrie erlaubt Experimente, die der klassischen Flüssigkristallforschung an dünnen Zellen nicht zugänglich sind. Wir untersuchen die Dynamik dieser Filme und die Selbstorganisation und die Wechselwirkungen von Einschlüssen darin. Dabei findet man einzigartige Beispiele quasi-zweidimensionaler Emulsionen oder kolloidaler Kristalle.
Der zweite Teil des Vortrages widmet sich granularen Gasen. Dies sind Ensembles makroskopischer Teilchen, die sich in permanenter Bewegung befinden und nur durch gelegentliche Stöße miteinander wechselwirken. Granulare Gase erlauben sowohl Erkenntnisse zu fundamentalen Fragen der statistischen Physik von Vielteilchensystemen als auch die Möglichkeit, Simulationsmethoden zu validieren und zu verbessern. In den Experimenten fallen große Mengen von optischen Bild- und Videodaten an, zu deren Auswertung eine präzise und verlässliche Detektion und Verfolgung aller Partikel unerlässlich ist. Diese Auswertung physikalischer Daten basiert auf einer 3D-Rekonstruktion, die erst mit Hilfe von Methoden des maschinellen Lernens schnell und effizient ermöglicht wird. Für dichtere Ensembles von Teilchen, bei denen die optische Beobachtung an ihre Grenzen kommt, entwickeln wir eine andere Beobachtungsmethode. Neben der optischen Beobachtung bietet sich die Verwendung von Messsonden an, die direkt in den Partikeln integriert sind. Solche Verfahren sind für granulare Ensembles höherer Teilchenzahldichte anwendbar und darüber hinaus auf viele ähnliche Untersuchungen. Zusätzlich zu unseren Experimenten führen wir repräsentative numerische Simulationen durch. Wir konnten in den bisherigen Arbeiten einige fundamentale physikalische Eigenschaften granularer Gase identifizieren und überprüfen. Die in den Projekten entwickelten Methoden konnten auf weitere Systeme angewandt werden, in denen die Beobachtung und Verfolgung von Partikeln in Ensembles hoher Teilchenzahlen nötig ist.
Verbrennungsforschung am ZARM
Für bessere Raumfahrtantriebe und erhöhte Feuersicherheit
Herr Dr. Florian Meyer
Zentrum für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM)
Universität Bremen
Materialwissenschaften in Schwerelosigkeit
Herr Dr. Markus Mohr
Institut für Funktionelle Nanosysteme
Universität Ulm
Der Schlüssel liegt dabei im detaillierten Verständnis, wie die Prozessierung des Materials die Mikrostruktur und damit die Eigenschaften des Materials beeinflusst. Anders als das traditionelle, iterative Vorgehen der Werkstoffentwicklung, werden heute moderne Simulationen eingesetzt. Dabei steht vor allem die Erstarrung aus der flüssigen Phase im Vordergrund. Als einer der ersten Prozess-Schritte bei der Werkstoffprozessierung hinterlassen die Bedingungen bei der Erstarrung ihren Fingerabdruck im festen Werkstoff.
Die Voraussetzung dafür, die Herstellungsprozesse zu optimieren, um die innere Struktur und die Eigenschaften eines Werkstoffs auf die Anwendung anzupassen, ist daher, mehr über die Eigenschaften der Materialien im geschmolzenen Zustand zu erfahren, und mehr über das genaue Erstarrungsverhalten zu lernen.
Für viele Experimente, in denen die Eigenschaften der geschmolzenen Materialien untersucht werden, und in denen das Erstarrungsverhalten der Materialien studiert wird, ist die Schwerelosigkeit eine notwendige Voraussetzung. Die Experimentbedingungen können in der Schwerelosigkeit zu einem Grad kontrolliert werden, wie dies auf der Erde unmöglich ist. Die besten Bedingungen für Untersuchungen in der Schwerelosigkeit liefert die Internationale Raumstation ISS. An Bord befinden sich mehrere experimentelle Einrichtungen, mit denen materialwissenschaftliche Experimente durchgeführt werden.
Die Ergebnisse sind zum Nutzen für die Prozess- und Werkstofftechnik auf der Erde. Sie können in die Entwicklung von neuen Legierungen einfließen, sowie in die Entwicklung und Optimierung von neuen Herstellungsverfahren. Die dabei untersuchten Materialien umfassen Strukturmaterialien (Stahl, Aluminium-basierte Legierungen, …), Hochleistungsmaterialien (Ni- und Ti-basierte Legierungen, …), und Funktionelle Materialien (Halbleiter, …).
In diesem Vortrag wird ein kurzer Überblick über verschiedene Experimente gegeben, die in Schwerelosigkeit, und speziell an Bord der Internationalen Raumstation ISS genutzt werden um Eigenschaften von Schmelzen und deren Erstarrungsverhalten zu untersuchen. Ein spezieller Fokus wird dabei auf die erhaltenen Ergebnissen und geplanten Experimente am Elektromagnetischen Levitator an Bord der ISS gelegt.
Quantentechnologie in der Erdbeobachtung und Navigation
Herr Prof. Steffen Schön
Universität Hannover
Session 2 - Daten und KI
Bayes'sche Bilderzeugung & Künstliche Intelligenz
Herr PD Dr. Torsten Enßlin
Max-Planck-Institut für Astrophysik
Garchingen
Bildgebende Verfahren müssen aus unvollständigen und verrauschten Sensordaten interpretierbare Abbilder der Wirklichkeit liefern. Dies erfordert das Einbeziehen von Wissen über das vermessene Signal.
Bayes'sche Bildgebung via Informationsfeldtheorie erlaubt die Synthese aus Messinformation und Wissen. Diese hat sich in einer Reihe von astrophysikalischen Anwendungen bewährt, welche hier vorgestellt werden.
Die Methodik kann als interpretierbare künstliche Intelligenz mit Unsicherheitsquantifikation verstanden werden, und kann mit Generativen Neuronalen Netzen interagieren.
Monitoring von Infrastrukturen in Deutschland mit Copernicus-Daten
Frau Dr.-Ing. Clémence Dubois
Universität Jena
Das Copernicus-Programm als Erdbeobachtungsprogramm der europäischen Union kann dabei das Monitoring von Infrastrukturen durch eine Vielzahl an Informationsdiensten und dedizierten Satellitendaten unterstützen. Dazu zählen insbesondere der Bodenbewegungsdienst Deutschland (BBD) sowie sein europäisches Pendant, der European Ground Motion Service (EGMS). Letzteres ist im Copernicus Landüberwachungsdienst verfügbar und wird jährlich aktualisiert. Diese beiden Dienste basieren auf prozessierten multi-temporalen, interferometrischen SAR Daten der Copernicus Sentinel-1 Mission. Die genutzte Methode der Persistent Scatterer Interferometry (PSI) ermöglicht es, basierend auf einem Datenstapel Bewegungen von spezifischen Punkten der Erdoberfläche in Millimeter-Genauigkeit zu ermitteln und für die Beobachtungsperiode eine entsprechende Deformationsmessreihe zu bekommen. Diese Daten und Dienste werden in Deutschland bereits in verschiedenen Projekten genutzt, die in dem Vortrag kurz skizziert werden.
In einem zweiten Teil wird näher auf ein an der Friedrich-Schiller-Universität Jena laufendes Projekt zur Überwachung von Staubauwerken eingegangen. Im Projekt KI4KI – künstliche Intelligenz für klimaresilientes Infrastrukturmonitoring sollen in Kooperation mit dem Ruhrverband mehrere Staumauern und Staudämme mittels Copernicus-Daten und Diensten überwacht werden. Dabei wird die Belastung dieser verschiedenen Infrastrukturen durch klimatische Veränderungen überwacht. Zentrale Fragen stellen neben der regelmäßigen Aktualisierung der Deformationszeitreihe die Identifizierung geeigneter Anlagen für den Einsatz von Copernicus-Daten, der Einsatz neuartiger Corner Reflektoren, um die Sichtbarkeit der Infrastrukturen in den Copernicus-Daten zu erhöhen, sowie die Schätzung der zu erwartenden Bewegung im Falle diverser Wetterszenarien.
Datenverarbeitung mit Provenienz-Metadaten – VAMPIRA
Herr Dr. Hans-Reiner Klöckner
Max-Planck-Institut für Radioastronomie
Bonn
Astronomische Observatorien werden die großen, zivilen Datenproduzenten der nächsten Jahrzehnte sein und stoßen schon jetzt in vielen Bereichen der Datenanalyse an technische Grenzen. Zusätzlich wird durch die steigende Autonomie und Komplexität der automatisierten Datenverarbeitung es immer schwieriger die Herkunft einzelner Ergebnisse vollumfänglich zu dokumentieren und damit einhergehend Vertrauen in die so gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse zu gewährleisten.
Daher gewinnen Diagnostikwerkzeuge fortwährend an Bedeutung, die Arbeitsschritte automatisiert protokollieren und so auch prozessübergreifende Analysen ermöglichen. So lassen sich nicht nur einzelne Ergebnisse verifizieren, sondern auch Verbesserungspotentiale in den Abläufen selbst identifizieren. Die Radioastronomie steht hierbei als Beispiel für diese Entwicklungen. Wir stellen die Arbeiten des VAMPIRA Projekts vor, das eine einheitliche, automatisierte Erfassung und Verarbeitung von Provenienzinformationen zum Ziel hat und somit die Voraussetzungen für systematische Analysen und selbst lernende Systeme schafft.
Gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages unter der Projektnummer 50OO1905.
VAMPIRA = (V)erwaltung, (A)uswertung und (M)odellierung von (P)rovenienz (I)nformationen aus (R)echenintensiven wissenschaftlichen (A)rbeitsabläufen
Gaia Datenauswertung
Herr Dr. Michael Biermann
Astronomisches Rechen-Institut
Universität Heidelberg
Gaia ist die große Astrometrie-Mission der ESA. Seit über acht Jahren macht Gaia jeden Tag mehr als 20 Millionen astrometrische und photometrische Messungen und nimmt zusätzlich über sieben Millionen Spektren auf. Etwa 450 Wissenschaftler und Softwareentwickler verarbeiten diese Messdaten zu einem Katalog von fast 2 Milliarden Objekten in der Milchstraße und weit darüber hinaus, der hochpräzise Positionen, Eigenbewegungen, Parallaxen und viele weitere Eigenschaften dieser Objekte enthält. Hier sollen Herausforderungen und Erfolge dieser Datenverarbeitung an Beispielen vorgestellt werden, die bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Gaia-Kataloge geführt haben.
Datenmanagement, Big Data
Herr Dr. Harry Enke
AIP Potsdam
Bestimmung der 3D-Waldstruktur und Waldbiomasse aus Radarfernerkundungsdaten
Herr Dr. Konstantinos Papathanassiou
DLR - Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme
Oberpfaffenhofen
Die Interaktion von Mikrowellen (Radarwellen) mit der 3D Waldstruktur ist jedoch komplex und erfordert meistens ein physikalisches Model das diese komplizierte Wechselwirkung mathematisch formuliert und sie dadurch berechenbar macht. Die Inversion des Modells ermöglicht dann die Bestimmung relevanter Waldstrukturparameter aus den Radarmessungen, auch wenn diese selbst nicht direkt gemessen werden können. Jedoch ist im TanDEM-X Fall die Anzahl der Radarmessungen nicht ausreichend um eine genaue Inversion zu erlauben da weniger Information vorliegt, als zur Bestimmung der Waldstrukturparameter des Models nötig ist. Einen Ausweg aus diesem Problem kann die kombinierte Nutzung von Lidar- und interferometrischen oder tomographischen SAR Daten die das Potenzial hat, die dringend erforderliche Erfassung und Charakterisierung der 3D Waldstruktur auf geeigneten räumlichen und zeitlichen Skalen zu erlauben. Dabei können KI-Ansätze Eine wichtige Rolle spielen da die Kombination datengetriebener KI-Modelle mit modelbasierten Invertierungsverfahren, erlaubt die Bestimmung der physikalischen Parameter zu optimieren.
In diesem Zusammenhang wird, anhand aktueller Beispiele, das Potenzial interferometrischer oder tomographischer SAR-Missionen vorgestellt, die gemeinsame Verarbeitung und Fusion multispektraler 3D-Fernerkundungsdaten für die Erfassung und Kartierung von 3D-Waldstrukturen erörtert und die wichtige Rolle, die KI in diesem Rahmen spielen kann diskutiert.
Session 3 - Weltraummissionen und Astronomie
Das Weltraumteleskop Gaia
Frau Dr. Katja Weingrill
AIP Potsdam
Das Ziel der ESA Weltraummission Gaia ist nichts Geringeres als das Vermessen unserer Milchstraße. Um Ursprung und Evolution unserer Galaxie zu studieren, erstellt Gaia die genaueste Karte der Milchstraße. Vermessen werden die Positionen, Raumbewegungen und physikalische Parameter der Sterne unserer Galaxie. Hierfür ist der Satellit mit drei Instrumenten ausgestattet:
Das astrometrische Feld misst die präzise Position sowie die Eigenbewegung der Lichtquellen am Himmel
Das blaue und rote Photometer stellt astrophysikalische Parameter wie die Helligkeit, Farbe, Temperatur und die Spektralklasse der Sterne zur Verfügung
Der Radialgeschwindigkeitsspektrograph ermöglicht die Messung der dritten Geschwindigkeitskomponente - auf uns zu oder von uns weg - aber auch der Metallizität und Oberflächenschwerebeschleunigung sowie der Häufigkeit der chemischen Elemente.
Seit Juli 2014 beobachtet Gaia vom Lagrange Punkt 2 aus ununterbrochen die Lichtquellen am Himmel. Nach dem Transfer der Daten auf die Erde, werden sie von einem 450-köpfigen, europäischen Konsortiuum - dem Data Processing and Analysis Consortiuum (DPAC) - ausgewertet und der wissenschaftlichen Gemeinschaft zugänglich gemacht (s. Vortrag von Dr. M. Biermann):
Nach zwei sehr erfolgreichen Gaia Datenkatalogen wurde am 13. Juni 2022 der dritte Gaia Datenkatalog veröffentlicht, der neben Positionen und Helligkeiten für 1,8 Milliarden Sterne zum ersten Mal auch Spektren enthält. Es wurden 320 Millionen Spektren des Polarimeters sowie 1 Million Spektren des Radialgeschwindigkeitsspektrographen veröffentlicht. Dazu enthält der Datensatz mit 33 Millionen Einträgen den größten Radialgeschwindigkeitskatalog der Welt, den größten spektrophotometrischen Katalog, die erste weltraumbasierte Himmelsdurchmusterung von Quasaren, den genauesten spektrophotometrischen Katalog von Asteroiden mit Dynamik, und für viele Klassen variabler Sterne die größte Datensammlung jemals.
In der astrophysikalischen Gemeinschaft ist diese Veröffentlichung sehnsüchtig erwartet worden, denn Gaia liefert neue Daten für fast alle Gebiete der Astrophysik. Objekte unseres Sonnensystems können mit den Gaia Daten ebenso studiert werden wie die Sterne unserer Milchstraße oder weit entfernt liegende Quasare und Galaxien.
Technik der Weltraummission EUCLID
Herr Dr. Frank Grupp
LMU München
Der Weltraum-Gravitationswellendetektor LISA
Herr Dr. Jens Reiche
AEI Hannover
LISA soll als GW-Observatorium im All ab ca. 2036 dieses Frequenzspektrum hin zu niederfrequenten GW unterhalb zwischen ca. 10-4 Hz und etwa einem 1 Hertz erweitern. Hier werden besonders interessante GW-Quellen erwartet. Es wird das Konzept und der aktuelle Status präsentiert.
Die Röntgenmission Athena
Prof. Dr. Jörn Wilms
Remeis-Sternwarte & ECAP
FAU Erlangen-Nürnberg
Die Röntgenmission Athena ist eine der zwei geplanten L-Class-Missionen, die gerade in Europa für einen Start in den 2030er Jahren vorbereitet werden. Der Vortrag beschreibt die wissenschaftlichen Fragestellungen, die von der Mission adressiert werden sollen - die Suche nach den fehlenden Baryonen, die Entwicklung Schwarzer Löcher und die Physik heißer Plasmen mit Temperaturen im Bereich von Millionen Grad - und geht dann auf die beiden an Bord befindlichen Instrumente eingehen, dem Wide Field Imager und dem X-ray Integral Field Unit. Zusammen werden es diese Instrumente sowohl Bildgebung als auch spektroskopische Informationen in unerreichter Qualität zu messn. Der Vortrag endet mit einer Zusammenfassung des jetzigen Stands der Missionsplanung.
Session 4 - Erde und Klima
Unterstützung der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens mit Erdbeobachtung
Frau Dr. Julia Marshall
DLR - Institut für Physik der Atmosphäre
Oberpfaffenhofen
Momentan befinden wir uns in einer Ära mit einem Reichtum an Erdbeobachtungsdaten auf immer höherer räumlicher Auflösung: Messungen der Zusammensetzung der Atmosphäre, der verschiedensten Eigenschaften der Erdoberfläche, sogar der anthropogenen Aktivitäten. Diese Präsentation stellt einen Überblick der Verwendung dieser Datenströme im Kontext von Emissions-Monitoring dar. Auf der operationellen Ebene wird die künftige EU/ESA Mission CO2M eine bedeutende Rolle spielen, mit einem Fokus auf anthropogenen Emissionen von größeren Punktquellen. Das aktuelle EU-Projekt CoCO2 entwickelt gerade ein Modellierungssystem, um diese Daten in einen künftigen Copernicus CO2 Monitoring Service zu verwenden. Die DLR Demonstrator-Mission CO2Image wird auch vorgestellt, konzipiert als eine Art „Lupe“ in Synergie mit CO2M, die auch kleinere Emissionsquellen erkennen und quantifizieren kann. Wie diese hochaufgelösten Messungen effizient und zuverlässig in Emissionsabschätzungen umgewandelt werden ist ein hochaktuelles Forschungsthema, das hier geschildert wird. Erdbeobachtungsdaten werden mithilfe von künstlicher Intelligenz auch verwendet, um anthropogene und biogene Signale voneinander zu trennen. Zusammen bieten diese Messungen und Methoden eine unabhängige Kontrolle der nationalen Emissionsberichten.
ICARUS (Klima)
Herr Prof. Martin Wikelski
MPG für Verhaltensbiologie
Radolfzell
Die ICARUS-Initiative, eine internationale, wissenschaftlich getriebene Bottom-up-Technologieentwicklung von kleinen, günstigen und autonomen IoT-Sensoren (Internet der Dinge) für die Bewegung und das Verhalten von Tieren, zielt darauf ab: Wearables für Wildtiere. Die daraus resultierenden Big Data, die in der Open-Source-Datenbank Movebank verfügbar sind, helfen, das Leben auf unserem Planeten zu verstehen, zu überwachen, vorherzusagen und zu schützen.
Fluidphysik: Geophysikalisch motivierte Strömungen unter Schwerelosigkeit
Prof. Dr. Ing. Christoph Egbers
Lehrstuhl Aerodynamik und Strömungslehre
BTU Cottbus-Senftenberg
Das Innere unserer Erde gleicht den Schichten einer Zwiebel. Aber was genau passiert dort drinnen? Dieser Frage gehen die ISS-Experimente GeoFlow I und II sowie das AtmoFlow-Experiment nach. Auf der ISS, wo sich Erdanziehung und Zentrifugalkraft die Waage halten, muss dieses Kraftfeld innerhalb einer Apparatur – einer „Mini-Erde“ - künstlich erzeugt werden, um das Rätsel der Strömungs- und Temperaturverhältnisse im Erdinneren oder in den Atmosphären experimentell aufzuklären.
Das Ziel des AtmoFlow-Experimentes ist die Untersuchung atmosphärischer, konvektiver Strömungen im Kugelspalt, welche für die Disziplinen Geophysik, Astrophysik und ganz besonders Atmosphärenforschung von zentraler Bedeutung sind. In AtmoFlow sollen Strömungen in sphärischer Geometrie unter dem Einfluss eines zentralen Kraftfeldes („Mini-Erde“) untersucht werden, die atmosphärenähnlichen Randbedingungen ausgesetzt sind. Im Erdlabor interferieren axiale und radiale, künstliche Beschleunigung. Unter Mikrogravitationsbedingungen jedoch kann mittels eines dielektrophoretischen Kraftfeldes auftriebsgetriebene Konvektion in Kugelschalen ideal simuliert werden.
Beteiligte: BTU Cottbus-Senftenberg, DLR Raumfahrtmanagement, ESA, NASA, internationales Wissenschaftler-Team (ESPCI Paris, Universität LeHavre, Universität Leeds, DLR-PF Berlin, Universität Potsdam)
Die EnMAP Mission: Grundlage für neue wissenschaftliche Forschung und Anwendung
Frau Prof. Sabine Chabrillat
GFZ Potsdam
Helmholtz Center Potsdam GFZ German Research Center for Geosciences, Potsdam, Germany and Leibniz University Hannover (LUH), Institute of soil science, Hannover, Germany
Am 1. April 2022 ist der erste in Deutschland gebaute und entwickelte Hyperspektralsatellit EnMAP an Bord einer Falcon-9-Rakete des US-amerikanischen Raumfahrtkonzerns SpaceX von Cape Canaveral in Florida ins All gestartet. Die Mission wird von der Deutschen Raumfahrtagentur im DLR in Bonn im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) geführt. Mit der Entwicklung und dem Bau des Satelliten sowie des Hyperspektralinstrumentes wurde die OHB-System AG beauftragt, das Bodensegment wird vom DLR in Oberpfaffenhofen entwickelt und betrieben. Die Mission steht unter der wissenschaftlichen Koordination des GeoForschungszentrums Potsdam (GFZ).
Der Umweltsatellite EnMAP (Environmental Mapping and Analysis Program) wird den Zustand der Erdoberfläche mittels abbildender Spektroskopie erfassen. Die wichtigsten wissenschaftlichen Ziele von EnMAP sind die Untersuchung von Umweltveränderungen, die Erforschung der Reaktionen von Ökosystemen auf menschliche Aktivitäten und die Überwachung der Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen. Der Satellit wird ein kontinuierliches Spektrum in 224 Spektralbändern von 420 nm bis 2450 nm liefern, mit einer mittleren spektralen Abtastung von 6,5 nm (VNIR) und 10 nm (SWIR). Entscheidend für die wissenschaftlichen Ziele von EnMAP sind qualitativ hochwertige Spektraldaten, eine räumliche Auflösung von 30 m, eine Wiederholungszeit von 27 Tagen im Nadir und eine Wiederholungszeit von 4 Tagen mit einer Neigung von 30° außerhalb des Nadirs, die zur Überwachung dynamischer Ereignisse genutzt werden kann. Nach der Inbetriebnahmephase (commissioning phase) werden die EnMAP-Daten kostenfrei für die internationale Nutzergemeinschaft zur Verfügung gestellt.
Abbildende-Spektroskopie ermöglicht die Identifizierung und Quantifizierung von Oberflächen anhand ihrer spektralen Charakteristika. Die EnMAP-Mission stellt aus verschiedenen Gründen einen Meilenstein in der abbildenden Spektroskopie dar. Die bisher einmalig hohe Datenqualität wird durch die präzise Onboard-Kalibrierungen gewährleistet, die eine aus dem Weltall bisher unerreichte Genauigkeit in der Quantifizierung von Oberflächeneigenschaften erlaubt. Darüber hinaus zeichnet sich die Mission durch die intensive wissenschaftliche Nutzungs-vorbereitung mit der Entwicklung von Auswertealgorithmen, Befliegungskampagnen, Doktorandenausbildung und Online-Schulungen aus, die zum Ziel hat, dass die Nut-zergemeinschaft die Daten bestmöglich in Wert setzen kann. Die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von EnMAP Daten reichen von der Erkundung von Lagerstätten und der Bodenkartierung über die Überwachung der Gewässergüte bis hin zur frühzeitigen Erkennung von Pflanzenstress und der Erfassung von Umweltverschmutzungen. EnMAP wird wichtige Daten bereitstellen, um die Folgen des Klimawandels und anderer Umweltveränderungen auf der Erde genau zu ermitteln. In diesem Vortrag wird ein aktueller Überblick über die Entwicklung des EnMAP-Satelliten, den aktuellen Missionsstand und die zu erwartende wissenschaftliche Forschung gegeben.
Vermessung und Monitoring von Gletschern und Eisschilden mittels Erdbeobachtung
Herr Dr. Thorsten Seehaus
FAU Universität Erlangen-Nürnberg
Auf Grund der meist abgelegenen Lage und der großen räumlichen Ausdehnung der Gletschereismassen bieten Erdbeobachtungsdaten die ideale Grundlage für die Vermessung und Überwachung von Gletschern und Eisschilden.
Es gibt eine Vielzahl an Erdbeobachtungsmission die zur Ableitung von Gletschervariablen genutzt werden können. Zur Erfassung von Eismassenänderungen auf globaler Skala sind besonders die Daten der Gravimetrie-Missionen GRACE und GRACE-FO nützlich. Die Zwillingssatellitensysteme vermessen Änderungen des Gravitationspotentials der Erde die u.a. durch Massenänderungen an der Erdoberfläche hervorgerufen werden. Hierdurch kann in vergletscherten Gebieten die Eismassenänderung auf großen räumlichen Skalen ermittelt werden.
Für das ermitteln von Gletschermassenveränderungen auf kleiner räumlichen Skalen ist die sogenannte geodätische Methode geeignet, welche auf das Differenzieren von Geländehöheninformation von verschieden Zeitpunkten beruht. Das Satellitensystem TanDEM-X liefert hierfür eine ideale Datengrundlage. Die wetterunabhängig aufgenommenen bistatischen SAR Daten ermöglichen die Ermittlung von präzisen hochaufgelösten Geländehöhen und somit das Vermessen der Gletschervolumenänderungen.
Die verschiedenen Erfassungsmethoden ergänzen sich gegenseitig auf räumlichen und zeitlichen Skalen und liefern wichtige Daten für das Monitoring der Eismassenveränderungen auf unserem Planeten. Durch die gewonnen Erkenntnisse können die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen besser analysiert und verstanden werden, und zukünftige Entwicklungen besser prognostiziert werden.