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Leitvorträge - 28.09.2022

Jüngste EO-Science-Missionserfolge

Herr Prof. Dr. Martin Visbeck
GEOMAR
Kiel

Die EAS Earth-Explorer-Missionen tragen dazu beitragen, unser Verständnis der Erde zu verbessern. Sie nutzen modernste Weltraumtechnologien, um mehr über die Wechselwirkungen zwischen der Atmosphäre, der Biosphäre, der Hydrosphäre, der Kryosphäre und dem Erdinneren zu erfahren.  was wichtig ist. Sie befassen sich mit wissenschaftlichen Fragen, wie die Erde als System funktioniert, die zur Vorhersage der Auswirkungen des Klimawandels beitragen, und die einen direkten Bezug zu gesellschaftlichen Probleme haben, mit denen die Menschheit in den kommenden Jahrzehnten konfrontiert sein wird. Während diese Missionen ihren ursprünglichen Auftrag erfüllen, übertreffen sie alle mit ihren Daten die Erwartungen und finden eine Vielzahl von Anwendungen in der realen Welt, um das tägliche Leben zu verbessern.
Die EU/ESA Sentinel-Missionen wurden speziell für das Copernicus-Programm der Europäischen Union entwickelt - das größte Umweltüberwachungsprogramm der Welt. Durch die Bereitstellung einer Reihe wichtiger Informationsdienste für ein breites Spektrum praktischer Anwendungen verändert das Programm die Art und Weise, wie wir die Umwelt verwalten, die Auswirkungen des Klimawandels verstehen und bekämpfen und das tägliche Leben schützen. Jede Sentinel-Mission ist mit modernster Technologie ausgestattet und liefert einen Strom von ergänzenden Bildern und Daten, die auf die Bedürfnisse von Copernicus zugeschnitten sind. Diese Daten sind kostenlos und stehen den Nutzern weltweit zur Verfügung, was nicht nur die wichtige Aufgabe der Umweltüberwachung erleichtert, sondern auch dazu beiträgt, Unternehmen zu fördern und neue Arbeitsplätze und Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen.

Nach einem kurzen Überblick werden einige Beispiele der Erfolge der Missionen vorgestellt und die Perspektiven für die Zukunft gegeben.


Raumfahrt und Gesundheit

Herr Prof. Hanns Christian Gunga
Charité Berlin

Umweltfaktoren wie Luftdruck, Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Licht, aber insbesondere auch die Gravitation beeinflussen entscheidend den Bauplan und die Funktionsfähigkeit von Organismen einschließlich des Menschen, vor allem extremen Umwelten. Dies wird im Vortrag anhand von verschiedenen Beispielen dargestellt und im Speziellen auf die neuesten Ergebnisse aus der Weltraummedizin eingegangen. Dies betrifft insbesondere sowohl die physiologischen Adaptationen bei Flügen ins All wie Muskel- und Knochenabbau, Herz-Kreislauferkrankungen, thermische Belastungen als auch psychische, kognitive Veränderungen durch Langzeitisolation und Beengtheit (Confinement) unter simulierten und realen Mikro-g Bedingungen Langzeitisolation. Schließlich werden Lösungsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung der physischen und psychischen Leistungsfähigkeit aufgezeigt und deren Bedeutung für die aktuelle therapeutische Medizin unter irdischen Bedingungen hervorgehoben.


Von anderen Planeten für die Erde lernen

Herr Prof. Harald Hiesinger
Universität Münster

Session 5 - Sensorik und Raumfahrt

Das Gehirn: Veränderungen in der Mikrogravitation


Herr Prof. Peter zu Eulenburg

Institut für Neuroradiologie
LMU München

Langzeitaufenthalte im Weltraum von mehr als 3 Monaten lassen bei Raumfahrern nicht nur die Muskeln und Knochen schwinden, sondern wirken sich auch auf das Gehirn aus. Das haben mehrere, unabhängige, bildgebende Studien der vergangenen vier Jahre mittels Magnetresonanztomographie (MRT) nachgewiesen. Eine überraschende Erkenntnis mehr als 60 Jahre nach Beginn der astronautischen Raumfahrt.

Änderungen der Sehschärfe und strukturelle Veränderungen des Augapfels und des Sehnervs bei Astronauten nach längerem Aufenthalt in der Schwerelosigkeit (Mikrogravitation) an Bord der Internationalen Raumstation ISS sind 2007 erstmalig in den Fokus der Wissenschaft getreten1. Fast zehn Jahre später, 2017, wurde durch amerikanische Forschende eine ungewöhnliche Positionsverschiebung des Gehirns innerhalb der Schädelkalotte nach ISS-Aufenthalt bei Astronauten beschrieben2. Unsere Arbeitsgruppe konnte dann im Rahmen eines sehr langfristig angelegten Kooperationsprojektes (ESA Brain-DTI) herausfinden, dass Areale der grauen Substanz im Gehirn sich nach 6 Monaten Aufenthalt auf der ISS im Volumen leicht verringern und dieses Phänomen sich auch ein halbes Jahr nach Rückkehr auf die Erde nicht normalisiert3. Ursache hierfür scheint ein reduzierter Austausch des Nervenwassers zu sein. Dieser führt zu einer vermehrten Flüssigkeitsansammlung in den Ventrikeln des Gehirns (>10% Volumenzuwachs nach 6 Monaten Mikrogravitation) mit Druckfolgen für die graue und weiße Substanz4. Hierzu passt auch der frisch erfolgte Nachweis von vermehrter Flüssigkeit um die Gefäßstrukturen des Gehirns (perivaskuläre Räume) nach Langzeitaufenthalt im All5. Unklar war bis dato, ob diese Veränderungen eine strukturellen Anpassungsfolge in der Mikrogravitation darstellen und ob diese gut kompensierbar oder möglicherweise schädlich für das Gehirn sind. Präzisionssprünge in der Laboranalytik erlauben seit wenigen Jahren, dass Alterungsprozesse oder Hirnverletzungen auch aus Blutproben und nicht notwendigerweise aus zentralem Nervenwasser untersucht werden können. Hier fanden wir im Blut einen erheblichen Anstieg aller hirneigenen Proteine, komplementär zu den bereits bekannten MRT-Befunden, vor allem in der ersten Woche nach Rückkehr aus dem All6. Die beobachteten Veränderungen sprechen für eine leichtgradige Verletzung der langen Nervenfasern in der weißen Substanz und der Glia, dem Stützgewebe des Gehirns. Dieser Anstieg im Blut nach Rückkehr ist für zwei Varianten des Amyloid-Proteins, einem Alterungsmarker, sogar noch nach drei Wochen nachweisbar und korreliert mit der Aufenthaltsdauer im All. Da sich die verschiedenen Proteine in unserer Studie sehr ähnlich verhielten, gehen wir von einer kohärenten Gesamtreaktion des Gehirngewebes auf den Langzeitaufenthalt im Weltraum aus.

Übergeordnete Ursache für alle beobachteten strukturellen Veränderungen des Gehirns und möglicherweise auch des Auges, könnte die Verschiebung aller Körperflüssigkeiten in der Schwerelosigkeit in Richtung Kopf sein. Potenzielle Gegenmaßnahmen für diese kopfgerichtete Flüssigkeitsverschiebung sind im Fokus der neuesten Forschung (ESA-NASA Konsensusreport diesbezüglich als Übersichtsarbeit empfohlen7). Hierzu zählen künstliche Schwerkraft in einer Kurzarmzentrifuge, Unterdruckhosen zur Förderung des venösen Abflusses vom Kopf in Richtung Beine sowie eine medikamentöse Drosselung der Nervenwasserproduktion im All. Die gewonnenen Erkenntnisse aus der Weltraumforschung liefern uns neue Ansätze für die Untersuchung von Alterungsvorgängen des Gehirns, der Rolle der Schwerkraft bei der Durchblutung des Kopfes und möglicher Effekte von prolongierter Bettlägerigkeit für Gesunde und Patienten auf der Erde.

Literatur
1. Lee AG, Mader TH, Gibson CR, Brunstetter TJ, Tarver WJ. Space flight-associated neuro-ocular syndrome (SANS). Eye (Lond). 2018;32(7):1164-7. Epub 2018/03/13. doi: 10.1038/s41433-018-0070-y.
2.
Roberts DR, Albrecht MH, Collins HR, Asemani D, Chatterjee AR, Spampinato MV, Zhu X, Chimowitz MI, Antonucci MU. Effects of Spaceflight on Astronaut Brain Structure as Indicated on MRI. N Engl J Med. 2017;377(18):1746-53. Epub 2017/11/02. doi: 10.1056/NEJMoa1705129.;
3.
Van Ombergen A, Jillings S, Jeurissen B, Tomilovskaya E, Ruhl RM, Rumshiskaya A, Nosikova I, Litvinova L, Annen J, Pechenkova EV, Kozlovskaya IB, Sunaert S, Parizel PM, Sinitsyn V, Laureys S, Sijbers J, Zu Eulenburg P, Wuyts FL. Brain Tissue-Volume Changes in Cosmonauts. N Engl J Med. 2018;379(17):1678-80. Epub 2018/10/26. doi: 10.1056/NEJMc1809011.
4.
Van Ombergen A, Jillings S, Jeurissen B, Tomilovskaya E, Rumshiskaya A, Litvinova L, Nosikova I, Pechenkova E, Rukavishnikov I, Manko O, Danylichev S, Ruhl RM, Kozlovskaya IB, Sunaert S, Parizel PM, Sinitsyn V, Laureys S, Sijbers J, Zu Eulenburg P, Wuyts FL. Brain ventricular volume changes induced by long-duration spaceflight. Proc Natl Acad Sci U S A. 2019;116(21):10531-6. Epub 2019/05/08. doi: 10.1073/pnas.1820354116.
5.
Barisano G, Sepehrband F, Collins HR, Jillings S, Jeurissen B, Taylor JA, Schoenmaekers C, De Laet C, Rukavishnikov I, Nosikova I, Litvinova L, Rumshiskaya A, Annen J, Sijbers J, Laureys S, Van Ombergen A, Petrovichev V, Sinitsyn V, Pechenkova E, Grishin A, Zu Eulenburg P, Law M, Sunaert S, Parizel PM, Tomilovskaya E, Roberts DR, Wuyts FL. The effect of prolonged spaceflight on cerebrospinal fluid and perivascular spaces of astronauts and cosmonauts. Proc Natl Acad Sci U S A. 2022;119(17):e2120439119. Epub 20220411. doi: 10.1073/pnas.2120439119.
6.
Zu Eulenburg P, Buchheim JI, Ashton NJ, Vassilieva G, Blennow K, Zetterberg H, Chouker A. Changes in Blood Biomarkers of Brain Injury and Degeneration Following Long-Duration Spaceflight. JAMA Neurol. 2021;78(12):1525-7. doi: 10.1001/jamaneurol.2021.3589.
7.
Seidler RD, Stern C, Basner M, Stahn AC, Wuyts FL, Zu Eulenburg P. Future research directions to identify risks and mitigation strategies for neurostructural, ocular, and behavioral changes induced by human spaceflight: A NASA-ESA expert group consensus report. Front Neural Circuits. 2022;16:876789. Epub 20220804. doi: 10.3389/fncir.2022.876789.



Muskulatur, Interdisziplinäre Forschung auf der ISS

Herr Prof. Dieter Blottner
Charité Berlin

Die Skelettmuskulatur ist das größte menschliche Organ mit seinen Hauptaufgaben für Bewegung, Energie- und Stoffwechselhaushalt, sowie Aufrechterhaltung der Körperwärme des Menschen auf der Erde.

Diverse genetisch veranlagte oder erworbene muskuläre, stoffwechselbedingte und neurologische Erkrankungen, Tumorwachstum, Polytraumata, chronischer Bewegungsmangel im Alltag, längere Immobilisation z.B. nach schweren Erkrankungen (z.B. aktuell SARS-Covid-19), sowie durch die bis dato unabwendbare biologische Alterung, führen oftmals zu negativen strukturellen und funktionellen Auswirkungen auf die Muskulatur (Muskelschwäche/-schwund) und damit auf den gesamten innervierten Bewegungsapparat, das sog. NeuroMuskuläre System (Gehirn-Rückenmark-Nerv-Muskel). Die mangelnden Nervenimpulse führen wiederum dazu, dass die Bewegung als körpereigene Gesundheitsprophylaxe („Bewegung ist Leben“) mehr oder weniger stark einschränkt ist, zu Stürzen mit Verletzungsgefahr führen kann, und letztlich gar nicht mehr möglich wird (Bettlägrigkeit, Immobilität).

Das NeuroMuskuläre System ist an die Schwerkraft auf der Erde (1G) bestens angepasst und Bewegung stärkt damit aktiv unsere Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit. In Schwerelosigkeit im All hingegen kommt es bei den „schwebenden“ Astronauten meist nur zu passiven Bewegungen mit minimalem Kraftaufwand die eher einem Bewegungsmangel auf der Erde vergleichbar sind. Deshalb trainieren Astronauten auf der ISS gegenwärtig bis zu 2.5 h täglich zur Stärkung von Knochen, Muskulatur und Herz-Kreislaufsystem zur Erhaltung ihrer Bewegungskoordination und Leistungsfähigkeit bei Tätigkeiten an Bord. Natürlich möchten Astronauten durch intensives Körpertraining im All den fortschreitenden Muskel- und Knochenschwund in Schwerelosigkeit bei längeren Raumflügen mit möglichen gesundheitlichen Risiken, z.B. einer Verletzung, während des Fluges und nach Rückkehr zur Erde, effektiv entgegenwirken.

Die Auswirkungen von Schwerelosigkeit auf Struktur und Funktion der Muskulatur ist in ihren zell- und molekularbiologischen Zusammenhängen noch nicht hinreichend erforscht. Die Arbeitsgruppe NeuroMuskuläres System am Zentrum für Weltraummedizin Berlin (ZWMB) der Charité untersucht seit vielen Jahren die neuromuskulären Auswirkungen nach Immobilisation und längerer Schwerelosigkeit.

Im ESA Projekt MUSCLE BIOPSY erforschen wir die direkten Zellveränderungen anhand kleiner Gewebeproben (Biopsien) aus dem Muskel von Astronauten vor und nach einem Raumflug. Die vorläufigen Ergebnisse zeigen deutliche Veränderungen in der Muskelfaserstruktur sowie des intramuskulären Bindegewebes trotz Muskeltraining auf der ISS. Demgegenüber kann die Expression von Schlüssel-Signalproteinen (Stickstoffmonoxid [NO]-Synthase) und das abnorme Auftreten hypo/hyper-nitrosylierter Funktionsproteine (Stress durch freie Radikalbildung) im Muskelgewebe durch das übliche Trainingsprotokoll auf der ISS weitgehend kontrolliert werden.

Im ESA Projekt MYOTONES untersuchen wir die biomechanischen Muskeleigenschaften in Schwerelosigkeit. Hierzu bestimmt der Astronaut auf der ISS mit einem kleinen handlichen digitalen Messgerät (Myoton) in völlig entspannter Körperhaltung seine Muskelspannung und -steifigkeit in absoluter Ruhe (resting tone and stiffness) vor, während und nach einem längeren Raumflug (> 6 Monate). Erste Ergebnisse zeigen zeitliche Änderungsmuster im Muskeltonus und -steifigkeit mehrerer oberflächlicher Muskeln (z.B. Rücken, Schulter, Beine), welche nach Rückkehr auf der Erde zu Ausgangswerten vor Flug (preflight) zurück gehen. Das Protokoll dient Astronauten während des Fluges u.a. zur objektiven Bestimmung des aktuellen Muskelstatus (vgl. Gesundheits-check) zur Planung körperlich anstrengender Tätigkeiten, z.B. Außeneinsatz (EVA, extravehicular activities).

Im einem Pilot-Projekt EASYMOTION des DLR haben wir erstmals getestet, ob Elektro-Myo-Stimulation (EMS) in Schwerelosigkeit möglich und tolerierbar ist um dadurch die Effizienz des muskulären Routinetrainings (Dauer, Intensität) eines Astronauten bei zukünftigen Raumflügen z.B. zum Mond (deep space gateway) zu optimieren.

Gefördert durch BMWK/DLR e.V. (2012-2023)



Röntgen-Instrumentierung an Bord der eXTP Mission

Herr Dr. Christoph Tenzer
Universität Tübingen

“enhanced X-ray Timing and Polarimetry” (eXTP) ist eine geplante große Flaggschiff-Mission für Astronomie und Astrophysik im Röntgenbereich, die von einem internationalen wissenschaftlichen Konsortium unter der Leitung des Institute of High Energy Physics (IHEP) der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) durchgeführt wird. Die Mission befindet sich derzeit in China in Phase B, die bis Ende 2022 abgeschlossen sein wird. Der Start von eXTP ist für 2027 geplant.
eXTP ist ein vielseitiges und leistungsfähiges großes Observatorium und wurde entworfen, um die Eigenschaften von Materie unter extremen Bedingungen bezüglich Dichte, Gravitation und Magnetfeldern zu studieren. Die wissenschaftliche Nutzlast von eXTP besteht aus vier Hauptinstrumenten, die jeweils für eine speziellen Anwendung entwickelt werden: dem Spectroscopic Focusing Array (SFA), dem Polarimetry Focusing Array (PFA), dem Large Area Detector (LAD) und dem Wide Field Monitor (WFM). Ein großes europäisches Konsortium steuert zwei der vier Instrumente, den LAD und den WFM bei.
Was eXTP im Vergleich zu anderen bestehenden und in der Entwicklung befindlichen Röntgenmissionen einzigartig macht, ist die durch diese ganz unterschiedlichen Instrumente entstehende beispiellose Kombination aus breitbandiger, großer Sammelfläche für Photonen, polarimetrischer Fähigkeit und hoher spektraler und zeitlicher Auflösung.
Im Vortrag werden die in den Instrumenten eingesetzten Sensoren und Detektionstechniken für Röntgenstrahlung vorgestellt.

Session 6 - Weltrauminstrumente

Wissenschaftliche Herausforderungen und Potentiale der FORUM Mission


Herr Prof. Dr. Martin Riese

Institut für Energie- und Klimaforschung
Forschungszentrum Jülich

Die in den Weltraum abgestrahlte langwellige Strahlung (engl. Outgoing Longwave Radiation = OLR) ist eine grundlegende Komponente des Energiehaushalts der Erde und spielt daher auch beim Klimawandel eine zentrale Rolle. Zum genauen Verständnis der zugrundeliegenden Prozesse im Erdsystem werden spektral hochaufgelöste satellitengestützte OLR-Messungen aus einer erdnahen Umlaufbahn benötigt. Aufgrund technischer Beschränkungen gibt es bisher eine Lücke im wichtigen Spektralbereich des Fernen Infrarot (FIR) von 100 bis 667 cm-1 (Wellenlängen zwischen 15 und 100 µm). Zur Schließung dieser Lücke wurde die FORUM Mission (Far-Infrared Outgoing Radiation Understanding and Monitoring) als neunte Earth-Explorer-Mission der ESA ausgewählt. Der Missionsstart ist derzeit für das Jahr 2027 geplant. Das Ferne Infrarot ist für etwa die Hälfte der Strahlungskühlung der Erde und ihrer Atmosphäre verantwortlich. Darüber hinaus enthalten die Messungen spektrale Fingerabdrücke der Strahlungsfeedbacks von Wasserdampf und Eiswolken. Unsicherheiten dieser Feedbacks tragen zu erheblichen Unsicherheiten in der Vorhersage unseres zukünftigen Klimas bei. Die Reduktion dieser Unsicherheiten ist daher eine der großen Herausforderungen der heutigen Klimaforschung. Im Vortrag wird gezeigt, dass FORUM einzigartige Beiträge zu diesem Forschungsgebiet leisten wird.


Harmony: ESA Earth Explorer Mission zur Dynamik von Ozeanen, Eis- und Landflächen


Herr Dr. Pau Prats
DLR - Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme
Oberpfaffenhofen

Die ESA Earth Explorer Mission zur Dynamik von Ozeanen, Eis- und Landflächen Dr. Pau Prats-Iraola DLR, Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme, Oberpfaffenhofen Im Fokus der Erdbeobachtungsmission Harmony steht die Beobachtung und Auswertung von kleinsten Bewegungen der Erdoberfläche, sei es an der Luft-Meer-Grenzfläche, wie Wind, Wellen, Oberflächenströmungen, auf der festen Erde wie bei tektonischen Deformationen und Höhenänderungen an Vulkanen, oder in der Kryosphäre, in Form von Gletscherströmen und Höhenänderungen. Die Harmony-Mission wird zwei Satelliten einsetzen, die einem der Copernicus Sentinel-1-Satelliten folgen. Sie fliegen in zwei verschiedenen Formationen. Bei der Stereo-Formation wird ein Harmony-Satellit jeweils im Abstand von 350 km vor und hinter dem Sentinel-1-Satelliten platziert. In der engen Flugformation werden beide HarmonySatelliten relativ nahe zueinander – etwa 200-500 Meter – und im Abstand von 350 Kilometern zum Sentinel-1 fliegen. Jeder Harmony-Satellit trägt als Hauptnutzlast ein passives Radar mit synthetischer Apertur (SAR). Dieses erfasst die von Sentinel-1 zur Erde gesendeten reflektierten Signale. Eine thermische Infrarotkamera mit mehreren Blickrichtungen ist ebenfalls an Bord, damit werden die Wolkenhöhe und die Bewegungsvektoren der Wolken gemessen. Durch das Zusammenspiel der drei Satelliten gewinnt man eine Deformationsmessung der Erdoberfläche in drei Dimensionen sowie eine Geschwindigkeitsmessung der Meeresströmungen mit bisher unerreichter Genauigkeit. In der erfolgreichen Phase A-Studie haben die Industrie- und das Wissenschaftsteam bewiesen, dass die Mission den technologischen und wissenschaftlichen Reifegrad erreicht hat, der für den Eintritt in die Realisierungsphase erforderlich ist, die schließlich zum Start der HarmonySatelliten bis Ende dieses Jahrzehnts führen wird. Die Mission muss noch vom PB-EO (Program Board for Earth Observation) der ESA für eine Realisierung befürwortet werden, das sich am 22.-23. September 2022 tagen wird. Danach muss noch der Ministerrat der ESA die Mission im November endgültig genehmigen.


Laser Zur Detektion von Spurengasen und Winden

Herr Dr. Benjamin Witschas
DLR - Institut für Physik der Atmosphäre 
Oberpfaffenhofen

Europäische Lidarmissionen zur Erdbeobachtung – Status und Ausblick Mittels satellitengestützer Lidarsysteme lassen sich Profile atmosphärischer Größen und Bestandteile auf globaler Skala messen. Ein Meilenstein der europäischen Erdbeobachtung und der WeltraumLidarentwicklung war der Start der ESA Earth Explorer Mission – Aeolus – im August 2018. Aeolus ist das erste europäische Lidar und das weltweit erste Windlidar im All. Aeolus liefert präzise, hochaufgelöste Daten des globalen Windfeldes von Boden bis in die Stratosphäre, und trägt damit maßgeblich zur Verbesserung der numerischen Wettervorhersage bei. Zur Fernerkundung des Windes werde ultraviolette Laserpulse in die Atmosphäre gesandt, deren Photonen teilweise an Molekülen und Aerosolen zum Instrument zurückgestreut werden. Abhängig von der Windgeschwindigkeit hat das zurückgestreute Licht eine leicht veränderte Frequenz (Dopplereffekt), welche mit Hilfe hochpräziser Spektrometer analysiert wird, um das atmosphärische Windprofil abzuleiten. Trotz des relativ einfachen Messprinzips ist dessen Umsetzung gerade im Weltall herausfordernd, da besonders frequenzstabile und effiziente Laserquellen sowie hochpräzise Spektrometer eingesetzt werden müssen. Die technologisch wie wissenschaftlich herausfordernde Entwicklung und Missionsvorbereitung wurde durch das DLR im Rahmen von Messkampagnen mit dem flugzeuggetragenen Demonstrator-Instrument, die Prozessor- und Simulatorentwicklung sowie mit ausgiebigen Tests kritischer optischer Komponenten maßgeblich unterstützt. Nach der erfolgreichen Fertigstellung des Instruments konnte demonstriert werden, dass die Technologie im Orbit funktioniert und alle Missionsziele erreicht werden können. Aeolus entwickelte sich im operationellen Betrieb zu der drittwichtigsten Quelle satellitengestützter Wetterdaten für das ECMWF Wettermodell. Neben Aeolus stehen derzeit zwei weitere europäische Lidarmissionen in den Startlöchern. 2024 plant ESA die EarthCARE Mission zu starten, um mit komplementären Lidar- und Radarmessungen den Einfluss von Aerosolen und Wolken auf den globalen Strahlungshaushalt der Atmosphäre zu untersuchen. Das Lidarsystem auf EarthCARE verwendet eine bauähnliche Laserquelle wie Aeolus und einen spektral hochauflösenden Empfänger. 2027 soll die deutsch-französische Klimamission MERLIN starten um Methankonzentrationen in der Erdatmosphäre zu vermessen und so Aufschluss über die Quellen und Senken des Treibhausgases geben. Des Weiteren werden derzeit intensive Diskussionen über eine Aeolus Nachfolgemission geführt welche für die Jahre 2030+ vorgesehen ist. In diesem Vortrag werden die einzigartigen Vorteile von satellitengestützen Lidar-Systemen und deren Nutzen für die Erdbeobachtung aufgezeigt, sowie die Herausforderungen bei der Entwicklung dieser Instrumente diskutiert.

 


JUICE: Jupiter Icy Moons Explorer

Herr Dr. Hauke Hußmann
DLR - Institut für Planetenforschung
Berlin

Die Jupiter Icy Moons Explorer Mission (JUICE), die 2023 zum Jupitersystem starten soll, ist die erste große ESA Mission im Rahmen des Cosmic Vision Programms der ESA. Ziel der Mission ist die Erforschung des Planeten Jupiter, seiner Magnetosphäre und insbesondere seiner Monde. Die Raumsonde, die das Jupitersystem 2031 erreichen wird, wird nach einer Sequenz von Vorbeiflügen an den Monden Europa und Kallisto in eine Umlaufbahn um Ganymed, den größten Mond des Sonnensystems, einschwenken und diesen durch eine Vielzahl von Messungen eingehend erforschen. Unter der Eiskruste von Ganymed, Europa und Kallisto werden riesige Ozeane aus flüssigem Wasser vermutet, die möglicherweise Leben beherbergen könnten. Die Mission JUICE zielt auf ein umfassendes Verständnis des Jupiter-Systems und die Entschlüsselung seiner Geschichte und seines Ursprungs ab. Neben den Bedingungen für die Planetenentstehung geht die Mission der grundlegenden Frage nach, wie das Sonnensystem funktioniert. Durch die Erforschung des Gasriesen, und seiner Trabanten liefert JUICE möglicherweise auch Rückschlüsse auf die Entstehung und Entwicklung von Leben im Sonnensystem.

Das Ganymede Laser Altimeter (GALA) und das Kamerasystem JANUS sind zwei von 10 Instrumenten an Bord der Raumsonde JUICE, die vom DLR Institut für Planetenforschung in Zusammenarbeit mit der Industrie und Partnerinstituten aus Deutschland, Japan, der Schweiz, Italien, Großbritannien und Spanien entwickelt und gebaut wurden. 2021 wurden die Instrumente auf die Raumsonde integriert und erfolgreich am Boden getestet. Hauptziel von GALA ist es, die Topographie Ganymeds im Orbit zu vermessen. Durch die starke Gezeitendeformation der Jupitermonde ist aus der Laseraltimetrie neben der genauen Charakterisierung der Höhenverteilungen an der Oberfläche ein Nachweis der Existenz eines globalen Ozeans unter Ganymeds Eiskruste und eine Eingrenzung der Mächtigkeit der Eisschicht möglich. Zusätzlich werden Oberflächenformationen, Oberflächenrauigkeiten und die globalen Figuren von Ganymed, Europa und Kallisto, letztere bei Vorbeiflügen, vermessen.

Hauptziele der Kamera JANUS sind die Kartierung der Oberflächen von Europa, Ganymed und Kallisto während der Vorbeiflüge und im Ganymed Orbit. Aus größerer Distanz wird JANUS sowohl Io und die irregulären und inneren Satelliten untersuchen als auch Jupiters Atmosphäre, Ringsystem und die Interaktion der Monde mit Jupiters Magnetosphäre charakterisieren. Beide Instrumente leisten einen entscheidenden Beitrag zu den wissenschaftlichen Zielen der Mission JUICE.

Im Vortrag wird ein Überblick über die Mission JUICE und die technische Auslegung und Realisierung der Instrumente GALA und JANUS gegeben.